Harald Kluge
“Ihr werdet das Böse besiegt haben!”
1 Johannes 2, 12-14

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Was ich euch jetzt schreibe, meine Lieben, ist kein neues Gebot, sondern die Botschaft Gottes, die ihr von Anfang an gehört habt. 8 Und trotzdem ist dieses Gebot neu, weil Christus es verwirklicht hat und ihr jetzt danach lebt. Denn die Finsternis schwindet, und das wahre Licht strahlt schon auf. 9 Wenn nun jemand behauptet, in diesem Licht zu leben, hasst aber seinen Bruder oder seine Schwester, dann lebt er in Wirklichkeit immer noch in der Finsternis. 10 Nur wer seine Geschwister liebt, der lebt wirklich im Licht. An ihm lässt sich nichts Anstößiges finden. 11 Wer dagegen seinen Bruder oder seine Schwester hasst, der lebt ganz und gar in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht. Er ist wie ein Blinder und kann nichts sehen, weil die Dunkelheit ihn umgibt. 12 Dies schreibe ich euch, meine geliebten Kinder, weil ich weiß, dass eure Sünden durch Jesus Christus vergeben sind. 13 Euch Vätern schreibe ich, weil ihr den kennt, der von Anfang an da war. Ich wende mich aber auch an euch, ihr jungen Leute; denn ihr habt den Teufel besiegt. 14 Ich will es noch einmal sagen: Euch Kindern schreibe ich, weil ihr den Vater kennt; ebenso wende ich mich an euch Väter, weil ihr den kennt, der von Anfang an da war. Und euch, ihr jungen Leute, schreibe ich, weil ihr im Glauben stark geworden seid. Gottes Wort wohnt in euch, und ihr habt den Teufel besiegt.

1 Johannes 2, 7-14

Liebe Kinder! Liebe Väter! Liebe jüngere Männer!
Liebe Eltern! Großeltern, Mütter, ältere Menschen!
Liebe Mitmenschen!

Johannes macht Mut, will Mut machen. Deshalb werde ich den Teufel tun, und ihnen jetzt nicht alles aufzählen, wogegen er so wettert und zetert. Ich will nicht andauern alles schlecht reden, andauernd lamentieren und mich beklagen, wie schlimm und schrecklich alles ist. Das wissen Sie, liebe Mitmenschen, auch ohne diese wohlbekannte Liste der schrecklichsten Gräuel und Sünden dieser Zeit. Johannes will Mut machen und ebenso niemanden ins Bockshorn jagen, keinem Menschen auch nur irgendwie Angst einflößen.

Aber er spricht Tacheles. Das Böse breitet sich aus in der realen Welt und neuerdings noch krasser in der virtuellen Welt. Das Böse ist wie eine ätzende Flüssigkeit, die in alle undichten Ritzen unserer Gesellschaft und in unsere Hirne hineinrinnt. Nicht nur bei TikTok, auch bei X – vormals Twitter, YouTube, Facebook und auf allen sozialen Medienplattformen bekommen gruselige und boshafte Inhalte die meisten Klicks und Likes. Ein TikTok-Beitrag, in dem ein Kleingartenbesitzer Maulwürfe mit Böllern bekämpft, die er in die Hügel wirft, wird tausendfach mehr geteilt und geliked als wenn UNICEF darauf hinweisen will, dass es noch nie so viele unbegleitete Kinder auf der Flucht gegeben hat wie heute. Der Böllerwerfer hat sich einen großen Krater in den eigenen Garten gesprengt und steht lachend mit einigen Bros am Seitenrand. UNICEF zeigt eben niemanden, der lachen kann, weil es da nichts zu lachen gibt – und eben auch nichts zu verteilen in vielen Flüchtlingscamps, weil die Hilfslieferungen nicht durchgelassen werden. Nun gibt es die großartige Initiative, das Böse einzugrenzen und auch falsche Informationen zu unterbinden. Fake News sollen aus den social media channels zurückgedrängt werden.

Denn Antisemitismus, Hasspostings gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen aus Israel sind genauso boshaft, bösartig und, sagen wir es doch: böse, wie rassistische, muslimfeindliche Parolen. Sie vergiften die Köpfe, die Sprache, die Gesellschaft. Dem möchte man von oberster Stelle in der EU Einhalt gebieten, dem Bösen die Stirn bieten. Wenn demnächst also zu viele antisemitische Hassparolen auf X – vormals Twitter – gezwitschert werden und Elon Musk nichts unternimmt, diese zu entfernen, sollen bis zu 6% des Jahresumsatzes an Strafgeldern in der EU verhängt werden können. Wenn auf YouTube rassistische Postings und auf Facebook homophobe, schwulen- oder lesben- oder transfeindliche Inhalte auftauchen und längere Zeit geteilt und geliked werden können, kostet das dann massig viel Geld.

Das Böse muss eingegrenzt werden, benannt und bekämpft werden. Das war eine der Überzeugungen in den ersten christlichen Gemeinden. Johannes, der Autor, sieht sich und die Menschen seiner Zeit direkt mitten drin in diesem Kampf zwischen Gut und Böse, Hell und Dunkel, Licht und Schatten. Die Schattenwelt wird regiert von teuflischen Mächten, die uns Menschen einflüstern, wie einfach und ohne Folgen es doch ist, zu nehmen, was man will, zu verletzen, wen man möchte, zu drangsalieren, wer einem in die Quere kommt, zu zerbrechen, was nicht fest genug ist, zu zerstören, was nicht bewacht und gut genug gesichert ist. Gelegenheit macht Diebe und Diebinnen.

Dem hält Johannes ganz im Geiste von Jesus entgegen, was er so im Köcher hat. Wir werden das Teuflische in nicht allzu ferner Zukunft besiegt haben. Und unsere mächtige Waffe ist nicht das Schwert. Wer das Schwert zieht, wird durch das Schwert umkommen. Unsere gewaltigste Waffe ist nicht aus Eisen, oder mit Uran angereichert, sondern es sind die Feder und das was mit ihr geschrieben wurde und wird. „Ich schreibe euch …“ und „ich habe euch geschrieben …“ kommt in dem kurzen Text insgesamt sechsmal vor. Intensiv und dringlich schärft uns Johannes hier ein, dass die Sprache, der Gedanke, der Glaube die Waffen der Wahl sind. „Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.“ Gottes Wort wohnt in euch, der Glaube an Gottes Sohn Jesus Christus wohnt in euch und damit habt ihr das Böse bereits jetzt besiegt.

Ihr werdet das Böse, das Teuflische, den Teufel in der ganzen Welt, real und virtuell, einmal besiegt haben. Die Christinnen und Christen der damaligen Zeit, so 70 Jahre nach der Kreuzigung und den Erfahrungen der Menschen von der Auferstehung Jesu, haben geglaubt, dass es bald mit dieser Welt zu Ende gehen wird. Diese Welt steht nicht mehr lang, wurde ihnen gesagt und gepredigt. Sie sahen sich auch schon als die letzte Generation. Durch die Jahrhunderte der Menschheitsgeschichte geistert dieses Gespenst, zur letzten Generation zugehören. So gesehen war es bisher immer eine falsche Annahme, um es freundlich auszudrücken. Es war eine reine Einbildung und wenn man es genau nimmt, war es bisher immer eine glatte Lüge. Sie haben die letzten Tage der Menschheit nicht erlebt. Und auch der Kampf zwischen Gut und Böse, Licht und Dunkelheit, den Kräften der Zerstörung und Zerstreuung und jenen des Aufbaus und des Lebenspendens geht unvermindert weiter. Es werden jedes Jahrzehnt aufs Neue, jedes Jahr aufs Neue, manchmal jeden Monat aufs Neue Schlachtfelder bezogen. „Denn die Finsternis schwindet, und das wahre Licht strahlt schon auf.“

Jesus hat oft vom Reich Gottes, von der Gottesherrschaft gesprochen. Das dürfte die große Frage gewesen sein, wie und wo sich Gottes Eingreifen zeigt. Vom Zweifeln zum Verzweifeln im Glauben ist es ein kleiner Schritt. Und wer sich diese Frage nach Gottes Handeln in der Welt gar nicht mehr stellt, hört er oder sie nicht dann ganz auf, dem Glauben und Gott überhaupt etwas zuzutrauen? Gottes Ohnmacht zeigt sich an dem unaussprechlich unfassbaren, überwältigenden bösen Treiben in der Welt. Immer wieder sehen wir Beweise für die Ohnmacht Gottes, manche sprechen seit 1938 schon von Gottes Tod. „Gott ist tot“ ist ein starker Ausdruck für so ein Gefühl von Gottes Abwesenheit. Johannes meint dagegenhalten zu müssen, mit dem Hinweis: Ihr kennt doch die Botschaft Gottes, habt sie von Anfang an gehört.

Ihr Kinder, ihr Väter, ihr jungen Männer habt Erlebnisse gehabt und erfahren, dem Bösen kann Einhalt geboten werden. Hören Sie auch dahinter die eigentlichen Stimmen derer, die Johannes und alle Christenmenschen, Christusgläubige fragen: Glaubt ihr das wirklich, von dem ihr da sprecht?

Wie könnt ihr so etwas behaupten, das Böse siegt doch an allen Fronten. Wer kein Gewissen hat, drückt den Gewissenhaften in den Dreck. Es regnet auf Gerechte und Ungerechte. Aber die Ungerechten schnappen sich die Schirme der Gerechten und kommen trocken dorthin, wo es sie so hintreibt. Die Gerechten werden beklaut und vom Regen nass. Wie begossene Pudel stehen sie dann da und setzen sich nicht zur Wehr, lassen es geschehen, dass sie eingeschüchtert und ausgeraubt werden. Jeden Moment kann ein gewalttätiger – meist – Mann zuschlagen, verletzen, quälen, mich bestehlen und mir meinen Glauben an die Kraft des Guten rauben.

Liebe Gemeinde!

Goethe hat mit seinem „Faust“ den Teufel zum Kern des Pudels erklärt. Womöglich hatte Goethe aber auch nur eine unschöne Begegnung mit diesem besonderen Hund. Denn lassen Sie sich eines sagen. Pudel sind ganz außerordentlich lernfähige, intelligente, aufgeschlossene und offene Tiere und keinesfalls schwach. Sie wissen sich zu wehren. Denn ein Pudel lässt sich nichts gefallen.  So sollen auch die Christusgläubigen keine fälschlicherweise angenommen schwächelnden Pudel, keine Lämmer, keine Opfer sein und bleiben. Nein, wir sollen nicht die Belämmerten sein, sondern Rückgrat und aufrechten Gang zeigen. Zuschlagen, Gewalt oder unfairen Druck ausüben, töten, rauben, stehlen, betrügen sollen wir nicht. Auch hassen und verleumden, falsche Informationen verbreiten, diskriminieren und Menschen aufgrund eines bestimmten Merkmals oder einer bestimmten Neigung verurteilen sollen wir nicht.

„10 Nur wer seine Geschwister liebt, der lebt wirklich im Licht. An ihm lässt sich nichts Anstößiges finden.“

Jetzt können wir wieder anfangen und diskutieren, wer meine Geschwister sind. Das spare ich mir, weil Johannes gerade darauf weiters eingeht.

„11 Wer dagegen seinen Bruder oder seine Schwester hasst, der lebt ganz und gar in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht. Er ist wie ein Blinder und kann nichts sehen, weil die Dunkelheit ihn umgibt.“

Das Licht, das wir vielleicht nicht sehen, leuchtet doch und da braucht es nur eine Person, eine Stimme, einen Text, ein Erlebnis, um uns die Augen für dieses Licht zu öffnen. Oder es ist wohl besser vom Herzen zu sprechen, mit dem wir das Licht sehen können. Denn auf die Augen und die normale Sehkraft kommt es da nicht an. Vielleicht beschreibt es besser unsere spirituelle Sehkraft. Das Gute zu erkennen, wenn es sich zeigt, ist auch nicht immer einfach. Ein so ein guter Satz, ein hoffnungsvoller Gedanke, ein befreiender Glaubenssatz folgt jetzt: „12 Dies schreibe ich euch, meine geliebten Kinder, weil ich weiß, dass eure Sünden durch Jesus Christus vergeben sind.“

Johannes wusste es. Aber wissen wir es auch? Glauben wir das ganz tief im Herzen? Ich tu mir schwer damit, darauf zu vertrauen, dass mir meine Fehler und Sünden vergeben sind. Aber wer sagt, dass zu glauben leicht sein wird. Die umwerfende lebendige Botschaft von Jesus aus Nazareth lautet bis heute: „Dein Glaube hat dich geheilt! Dein Glaube hat dich gerettet!“ Wenn Worte lebendig werden können, dann ist es wohl so ein Satz wie: „Eure Sünden sind euch durch Jesus Christus vergeben! Ich weiß, dass es so ist.“ So weiß Johannes auch, dass seine Angesprochenen daran zweifeln. Deshalb legt er hier so viel Wert darauf, wiederholt sich hier mehrmals mit gleichem und im Brief mit leicht abgewandeltem Wortlaut. „Ihr jungen Leute seid meine Adressaten; denn ihr habt den Teufel besiegt. Ihr jungen Leute seid im Glauben stark geworden. Gottes Wort wohnt in euch, und ihr habt den Teufel besiegt.“

Johannes traut es seinen Mitmenschen zu, die Gebote zu halten, weil sie ihnen ins Herz geschrieben sind, weil sie ihr Gewissen dazu treibt. Jesus traut es seinen Mitmenschen zu, weil er bei jeder seiner Begegnungen merkt, wie liebenswert die Menschen an sich sind. Und er erlebt auch, wie sehr Männer, Frauen und Kinder die Botschaft von der Liebe Gottes nötig haben, mehr noch als einen Bissen Brot, einen Schluck Wasser oder Wein. Wir werden das Teuflische, Gehässige, die Fratze des Mordens und Schlachtens, das Betrügerische, Lästernde eines Tages besiegt haben. Das geschieht nicht von alleine, und es kostet Kraft, braucht Einfallsreichtum und eine gehörige Portion Mut. Als Gemeinschaft können wir hier täglich einen guten Schritt vorankommen.

Denn wir haben die Botschaft gehört. Wir sind durch den Glauben an Jesus Christus freigesprochen und daher bereit und befreit, dem Bösen die Stirn zu bieten. Wer bietet  schon mehr? Trauen wir uns doch all das zu, wovon Johannes schreibt. Dann werden wir das Böse schlussendlich besiegt haben.

AMEN