Harald Kluge „Dein großer Wurf!“ 1 Samuel 28,3-51
Liebe Gemeinde!
Liebe Jugendliche!
Was hatten wir nicht für ein aufregendes Jahr. Also zugegeben, es war jetzt kein ganzes Jahr mit 12 Monaten. Sondern es waren von Oktober bis heute gerade einmal 7 Monate. Und so enorm spannend und aufregend war die gemeinsame Zeit inhaltlich vielleicht auch nicht immer. Ich gebe zu, es gab Leerlauf. Aber diese freien Zeiten braucht es, damit sich wirklich wichtige und essentielle Inhalte setzen können. Eines dieser speziellen Angebote war der Zivilcourageworkshop mit Erik, unserem Trainer vom Mauthausenkomitee. Denn das und manches andere, was wir euch mitgeben wollten, könnt ihr vielleicht irgendwann einmal hervorkramen und gebrauchen. Wer weiß? Ihr wisst so prinzipiell, wie Zivilcourage vor allem nicht geht.
Wir sollen nicht unnötig die Heldinnen und Helden spielen, uns in keine Raufereien hineindrängen, uns selbst nicht in Gefahr bringen und die Täter nicht provozieren.
Also wisst ihr auch, wie Zivilcourage funktioniert: Schau ich und hör ich hin und mach es zu meiner Sache? Oder schau und hör ich nicht hin nach dem Motto: „Geht, geht, geht mi nix an.“
Nicht weit von hier, fünf Minuten entfernt, kam es vor einer Woche zu einer unschönen Szene. Eine jüngere Frau mit Kopftuch wurde von einem Mann am Wiener Donaukanal verprügelt. Eine andere junge Frau, nennen wir sie Carola, hat es von der Schwedenbrücke aus gesehen und angefangen sich nach Hilfe umzuschauen. Die vielen Leute, die unterwegs waren, zum Feiern, zum Chillen, zum Grillen, sind aber alle anscheinend einfach weitergegangen. Sie haben sich nicht beeindrucken, nicht hineinziehen lassen. Carola aber hat um Hilfe gerufen am Handy, jedenfalls die Polizei gerufen. Und dann hat sie die Prügel des Mannes auf die Frau mit der Handykamera aufgenommen. Dabei wurde sie jedoch bemerkt und eine der Frauen, die rund um die Prügelei standen, ist zu ihr gelaufen, hat ihr das Handy abgenommen, ins Wasser geworfen und hat Carola auch noch verletzt.
Mitten am helllichten Tag passieren Attacken und Angriffe, die durch couragiertes Eingreifen entschärft werden könnten. Jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen berichten, dass sie angespuckt, beschimpft und angegangen werden. Und nur weil jemand an einem Lokal vorbeijoggt, bekommt er die Faust eines Besoffenen ins Gesicht, der daraufhin Reißaus nimmt.
Aber es regt sich Zivilcourage, immer öfter. Und ihr, liebe Konfis und Jugendmitarbeiterinnen und -mitarbeiter seid durch den Workshop hoffentlich ein wenig besser gerüstet, in der nächsten heiklen Situation mit dem gedanklichen „Erste-Hilfe-Kasten für Zivilcourage“ in 5 Schritten einzugreifen. Carola darf nicht recht behalten.
Sie hat frustriert gemeint: “Unfassbar traurig, wie abgestumpft die Leute in der lebenswertesten Stadt der Welt sind. In Zukunft werde ich mir Gedanken machen, wie weit ich noch Zivilcourage zeige.”
Ich glaube aber nicht, dass sie in Zukunft einfach weitergehen wird. Denn entweder reagiere ich in einer ungerechten Situation, in die ich gerate, so, oder so. Meistens suche ich mir nicht aus, ob mich etwas innerlich angeht oder eben nichts angeht.
Wir suchen es uns nicht aus, ob wir Ungerechtigkeiten wahrnehmen. Ich entscheide mich nicht, dass ich den Klimawandel, wie er mir beschrieben wird, schrecklich finde.
Und daher kann ich gar nicht aufhören zu denken: Es sollte etwas getan werden. Aber schleunigst. Ich kann auch meine Ängste nicht leicht unterdrücken. Angeblich hat die Jugend und haben junge Menschen in Österreich zwischen 16 und 24 am meisten Angst vor Kriegen und militärischen Entwicklungen, die Anlass zur Sorge geben.
Es macht mir auch ein mulmiges Gefühl, wenn meine Töchter erzählen, dass in ihren Klassen Kinder aus der Ukraine und aus Russland sitzen, zusammen lernen, aber klar im Raum steht, dass sich die beiden Staaten im Kriegszustand befinden.
Und nach Krieg und Klimawandel ist das dritte angsteinflößende Thema die „Armut-und-Reichtum-Debatte“ unserer Zeit.
Noch immer scheinen wir – also nicht Sie und ich, aber wir als Gesellschaften – es nicht ernsthaft darauf anzulegen, Hunger, Hungersnot und Armut zu bekämpfen. Ansonsten würde die Schere zwischen jener Gruppe, die größer wird, die immer weniger hat und jenen, die immer reicher als reich werden, nicht weiter so drastisch aufgehen.
Es ist wohl schon eher ein Zirkel zwischen Arm und Reich als eine Schere.
Nur was soll man dem allen entgegenhalten – wo sich engagieren? Bei Fridays For Future?
Religions For Future? Scientists For Futur?
Bei der KPÖ? Bei Greenpeace? Sollen wir in Kirchen für mehr Frieden beten?
Oder sollen wir, wie manche es tun, mit blaugelben Fahnen und Spendenkästen in der Innenstadt herumgehen und Geld für Hilfsgüter in der Ukraine sammeln?
Vielleicht braucht es neue Heldinnen und Helden, also euch, Sie … Und die müssen gar keine großen Superkräfte wie Spiderman, Batman, Superman oder Wonder Woman besitzen. Und sie müssen keine charismatischen und hochintellektuellen und hochgebildeten Menschen sein wie Nelson Mandela, Gandhi, Martin Luther King.
Ich stelle euch kurz einen Helden vor, der auch als Antiheld durchgeht, weil er ein ganz normaler Mensch ist mit Kanten, Ecken und Fehlern. Aber in seiner Jugend mit nur ungefähr sechzehn Jahren schafft er den einen großen Wurf, der das Schicksal einer ganzen Glaubensgemeinschaft bis hin zu uns hier heute als reformierte christliche Gemeinde auf Schiene gebracht hat.
Es war wieder einmal zur Kriegszeit in Israel so vor etwa 3000 Jahren. Da wurde in Bethlehem als jüngster Sohn von Isai aus dem Stamm Juda David geboren.
David musste als jüngstes Kind die Schafe und Ziegen hüten, während seine älteren Brüder in den Kampf der Israeliten gegen die Philister zogen. David war fesch, konnte gut auf der „Harfe“ spielen und singen und war ein ausgezeichneter Schütze mit der Steinschleuder.
Und er hatte diese besondere Eigenschaft: Bei Gefahr lief er nicht davon, sondern er stellte sich jeder Herausforderung. So erzählt er, dass er es beim Hüten mit Löwen und Bären zu tun bekam. Also ich würde beim Anblick eines Löwen oder Bären, der eines der gehüteten Tiere im Maul davontragen wollte, eher selbst Fersengeld geben und mich freuen, nichts selbst im Maul zu baumeln.
David hingegen hat seinen Stock gepackt und hat dem Bären oder dem Löwen solange auf den Kopf geschlagen, bis die entweder das Weite gesucht haben oder ihre Schädel nachgegeben haben.
So macht sich dieser David, kein Hulk, kein Rock, kein Thor, sondern ein schmächtiger, eher zarter Jugendlicher auf, seinen Brüdern im Gefechtsfeld Verpflegung zu bringen. Erstes Samuelbuch 17 beschreibt es so:
„3 An einem Bergkamm standen die Philister, am Hang gegenüber die Israeliten. Zwischen ihnen lag das Tal. 4 Da trat aus dem Heer der Philister ein einzelner Soldat heraus: Goliat aus der Stadt Gat. Er war über drei Meter groß. 5-6 Gerüstet war er mit einem Helm, einem schweren Schuppenpanzer und mit Beinschienen, alles aus Bronze. Dazu hatte er sich noch eine bronzene Lanze auf den Rücken geschnallt. Sein Brustpanzer wog 60 Kilogramm, 7 sein Speer war so dick wie ein kleiner Baum, und allein die Eisenspitze des Speeres war über 7 Kilogramm schwer. Vor ihm her marschierte sein Schildträger mit einem riesigen Schild. 8 Goliat stellte sich den israelitischen Schlachtreihen gegenüber auf und brüllte:
»Was wollt ihr hier eigentlich mit eurem ganzen Heer? Ich bin ein Philister, und ihr seid nur Knechte Sauls.
Los, wählt euren besten Mann aus und schickt ihn herunter zu mir! 9 Wenn er mich töten kann, dann werden wir eure Sklaven sein. Aber wenn ich ihn erschlage, dann sollt ihr uns als Sklaven dienen. 10 Ja, ich fordere heute alle Israeliten heraus. Wo ist der Mann, der es mit mir aufnehmen kann?«
11 Als Saul und seine Soldaten das hörten, erschraken sie und bekamen große Angst.
40 David nahm daraufhin seinen Hirtenstock und seine Steinschleuder, holte fünf flache Kieselsteine aus einem Bach und steckte sie in seine Hirtentasche. Mit Stock und Schleuder in der Hand schritt er dann auf den Riesen zu.
41 Auch Goliat rückte immer weiter vor, zusammen mit seinem Schildträger, der vorausging. 42 Plötzlich bemerkte er David. »Ach, jetzt schicken sie schon Kinder in den Krieg!«, spottete er, weil David noch sehr jung war, rothaarig und gut aussehend. 43 »Bin ich denn ein Hund, dass du mir nur mit einem Stock entgegenkommst?«, brüllte Goliat ihn an.
Und er verfluchte David im Namen sämtlicher Götter, die er kannte. 45 Doch David rief zurück: »Du, Goliat, trittst gegen mich an mit Schwert, Lanze und Wurfspieß. Ich aber komme mit der Hilfe des HERRN. Er ist der allmächtige Gott und der Gott des israelitischen Heeres. Ihn hast du eben verspottet.
48 Als Goliat sich in Bewegung setzte und auf David losstürzen wollte, lief auch David ihm entgegen. 49 Im Laufen nahm er einen Stein aus seiner Tasche, legte ihn in die Steinschleuder und schleuderte ihn mit aller Wucht gegen den Feind. Der Stein traf Goliat am Kopf und bohrte sich tief in seine Stirn. Sofort fiel der Riese zu Boden auf sein Gesicht. 50-51 So überwältigte David den mächtigen Philister mit einer einfachen Steinschleuder und einem Kieselstein.“
1 Samuel 28,3-51
Trotz aller Einschüchterungen und obwohl alle David sagen, lass es sein, das schaffst du nie. Du machst dich lächerlich! David kann es nicht mit anhören, dass alles, was ihm lieb und teuer ist beleidigt wird. Deshalb muss er handeln.
Er will nicht jammern und klagen über die schreckliche Situation. Nicht jammern, sondern machen, lautet seine Devise. Also packt er die Gefahr, die Krise bei den Hörnern und nimmt nur mit, was er an Fähigkeiten erlernt hat. Stock und Schleuder und einige flache Steine und die Gewissheit, dass GOTT mit ihm ist, an diesem Tag und bei dieser Aufgabe. Niemand hätte auf David gesetzt, seine Brüder wollen ihn aufhalten, der König hält nicht viel von ihm. Er hatte so gut wie keine Chance und hat diese genutzt.
Übermächtige Gegner sind auf normalem Weg, mit den üblichen Methoden nur selten zu besiegen. Und nehmen wir die Gegner in unserem Lebensumfeld. Alles, was zurecht Angst auslöst, etwa Krankheiten wie Krebs oder Herzkreislauferkrankungen oder psychische Erkrankungen. Übermächtig scheinen sie nicht nur.
Aber eine Werbung des St. Anna Kinderspitals zur Krebsforschung hat mich seit dem ersten Mal tief beeindruckt: „Der Krebs hat Angst vor mir!“, stand neben einem Mädchen zu lesen.
Wovor fürchte ich mich? Was gibt mir Zuversicht? Was lässt mich nicht aufgeben? Wie schaffe ich es, vielleicht über Mauern zu springen, die mir zu hoch erscheinen? Anlauf nehmen, Steine in die Tasche, Schleuder in die Hand, und zu wissen, GOTT läuft mit, geht mit, fährt mit mir. Im letzten Moment wird es Goliath bewusst geworden sein – seine Aura hat auf diesen einfachen Menschen, der ihm entgegenläuft, keine Wirkung. David hatte nicht die Furcht gepackt, sondern die Gewissheit, ich bin nicht allein und ich kämpfe nicht allein.
Einen großen Wurf, das ist alles, was es braucht. Ein großer Wurf macht den Unterschied. Jesus hat auch so einen Wurf vollbracht. Er ist in Davids Fußstapfen getreten und hat so selbst den Tod besiegt. Was wird euer großer Wurf im Leben sein? AMEN