Römer 8,14-17 “Was treibt uns eigentlich an?”
Réka Juhász
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Was treibt uns eigentlich an? – stellt sich am 1.September die große Frage immer wieder neu besonders für viele Menschen, jung und alt, die etwas mit Schule zu tun haben.
Was treibt mich eigentlich an weiterzumachen oder eben neue Wege zu gehen?
Wie kann ich effizienter lernen, wie kann ich die Schule besser schaffen? – fragen sich die Jüngeren auf der einen Seite.
Wie kann ich effizienter lehren, immer wieder mit Freude in die Schule gehen, auch wenn die Schülerinnen und Schüler mein Fach nicht interessant oder schwer finden?
Wie kann ich die Freude am Unterrichten behalten, auch wenn es schwierig wird mit der Gruppe? – fragen sich Lehrende auf der anderen Seite.
Effizienz, Freude an der Arbeit, Erfolg, Weiterkommen … Begriffe, die an diesen Tagen besonders viele Familien beschäftigen.
Doch ich denke, diese Fragen haben Relevanz auch außerhalb des Schulsystems.
Was treibt mich an, dass ich weitermache?
Wie kann ich mich wieder wirksam erfahren?
Die moderne Psychologie betont, Lernen und Lehren geht nur durch Begeisterung. Nur dort, wo ein Mensch Begeisterung findet für etwas, nur dort kann das Gehirn etwas Neues lernen. Nicht nur Schulisches. Sondern Lebenswichtiges.
Denn nach einer Krise wieder sich selbst zu finden ist auch lernen. Neue Wege finden nach einer schweren Trauerphase – das ist auch lernen. Und all das geht nur mit Begeisterung.
Wenn ich in einem Wort beschreiben könnte, was mir eigentlich der christliche Glaube bedeutet, würde ich dieses Wort wählen. BEGEISTERUNG.
Denn darum geht es eigentlich in der gesamten Kirchengeschichte seit dem ersten Pfingsten. Menschen erleben, erfahren eine besondere Kraft, die sie antreibt weiterzumachen, nicht aufzugeben. In der christlichen Theologie nennen wir diese antreibende Kraft Gottes: Heiliger Geist. Der Heilige Geist ist kein vorüberziehendes Phänomen, sondern der grundsätzliche Antrieb des Lebens.
Ich lese unseren heutigen Predigttext aus dem Brief an die Römer im 8. Kapitel:
14Alle, die sich von diesem Geist führen lassen,
sind Kinder Gottes.
15Ihr habt ja nicht einen Geist empfangen,
der euch zu Sklaven macht.
Dann müsstet ihr doch wieder Angst haben.
Ihr habt vielmehr einen Geist empfangen,
der euch zu Kindern Gottes macht.
Weil wir diesen Geist haben, können wir rufen:
»Abba! Vater!«
16Und derselbe Geist bestätigt unserem Geist,
dass wir Kinder Gottes sind.
17Wenn wir Kinder sind, dann sind wir aber auch Erben:
Erben Gottes und Miterben von Christus.
Voraussetzung ist, dass wir sein Leiden teilen.
Denn dadurch bekommen wir auch Anteil
an seiner Herrlichkeit.
Diese Zeilen kommen mir bekannt vor: Gott hat uns nicht einen Geist der Sklaverei gegeben, einen Geist der Knechtschaft, sondern einen Geist, der uns zu Kindern Gottes macht.
An seinen treuen, aber verzagten Mitarbeiter, Timotheus, schrieb Paulus ähnliche Zeilen. „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ Paulus erinnert ihn an den ursprünglichen Antrieb, an den Geist Gottes, der ihn zum Dienst berufen hat. An den Antrieb, der nicht plötzlich aus ist, wenn man eine Krise und schwierige Momente erlebt.
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In der Pfingstgeschichte zeigte sich der Heilige Geist laut, unübersehbar und spektakulär. Die Jünger fassten wieder Mut, sie predigten vor der Öffentlichkeit über Jesus und erlebten, wie in kürzester Zeit 3000 Menschen sich taufen ließen.
Und seitdem ist die grundsätzliche Antriebskraft der christlichen Gemeinschaft der Heilige Geist, den Jesus seinen Jüngern versprochen hatte.
Da gibt es für Paulus ein klares vor Christus und nach Christus.
Ohne die Erlösung durch Jesus wären wir alle Knechte: Andere bestimmen über uns, wir müssen tun, was uns gesagt wird, die einzigen Sicherheiten in diesem Leben wären die Steuer und der Tod.
Eine solche Aussichtslosigkeit führt bei dem einen zur Verzweiflung und Aufgabe, bei der anderen zu kochender Wut, die sich an unpassenden Stellen entlädt und alles nur noch schlimmer macht.
Wäre der Heilige Geist ein Geist der Knechtschaft, wäre zwar ein bisschen, aber nicht viel gewonnen. Eine Sklaverei würde durch die andere abgelöst.
In der Bibel geht es doch nicht um einen Gott, der den Menschen seinen Willen aufnötigt gegen deren innerste Herzenswünsche und Neigungen.
Die Bibel erzählt von einem Befreier-Gott. Von einem Gott, den die Menschen des Alten Testaments als den Befreier aus der Sklaverei in Ägypten erlebten; und später als einen Gott, der den Menschen durch Jesu Tod von der Sünde befreite.
Gott will keine Sklaven, Gott erklärt uns zu seinen Kindern.
15Ihr habt ja nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht.
Dann müsstet ihr doch wieder Angst haben. Ihr habt vielmehr einen Geist empfangen, der euch zu Kindern Gottes macht. Weil wir diesen Geist haben, können wir rufen:
»Abba! Vater!«
Das heißt: Gott meint es gut mit uns. Wenn Gott wie ein guter Vater /eine gute Mutter für uns ist, was könnte dann gegen uns sein?
Da gibt es natürlich noch genug, die Welt ist in keinem guten Zustand und so mancher Schicksalsschlag ist und bleibt unausweichlich. Aber wenn grundsätzlich geklärt ist, dass wir Gottes Kinder sind, gibt das neuen Antrieb.
Kind Gottes zu sein ist ein starkes, inniges Bild, und weist auf die grundsätzliche Schutzbedürftigkeit eines Kindes hin. Was tun Kinder, wenn sie Angst haben? Sie suchen die Nähe, Zuwendung eines Erwachsenen, normalerweise eines Elternteils, der sie tröstet und ermutigt. Eine solche Nähe und Zuwendung bietet uns Gott an, ja verspricht uns Gott. Und er traut uns noch mehr zu, als das wir uns vorstellen könnten.
Wie heißt es so schön im Psalm 18,30 „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“
Kindschaft anstatt Knechtschaft verspricht uns Gott. Und noch ein wichtiger Begriff ist mit der Kindschaft verbunden, den Paulus in seinem Römerbrief erwähnt: die Erbschaft.
17Wenn wir Kinder sind, dann sind wir aber auch Erben:
Erben Gottes und Miterben von Christus. Voraussetzung ist, dass wir sein Leiden teilen. Denn dadurch bekommen wir auch Anteil an seiner Herrlichkeit.
Ein schwer verständlicher Begriff, denn hier ist kein materielles Erbe gemeint. Erbe hat hier etwas mit Leiderfahrung zu tun.
Vielleicht in schwierigen leidensvollen Zeiten können wir diesen Begriff mehr und besser verstehen. Denn unser Glaube kann uns vor notvollen Leidenszeiten nicht magisch bewahren.
Aber – als Miterben Christi – ist uns versprochen, dass uns Gott auch in Leidenszeiten bewahrt, denn er mutet uns viel zu.
Und diese Gewissheit, dass wir Kinder und Erben Gottes sind, hat schon jetzt Auswirkungen auf uns.
Und damit sind wir schon wieder bei der Frage, die wir am Anfang der Predigt gestellt haben:
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Was treibt uns eigentlich an?
Woran erkennt man eigentlich, dass wir vom Geiste Gottes, vom Heiligen Geist angetrieben sind?
Das ist eine uralte Frage, nicht selten ein Vorwurf. Dass man Christ*innen daran erkenne, was sie tun, wurde oft behauptet und ist einigermaßen widerlegt.
Christsein schützt nicht vor schlechten Taten oder Verbrechen. Wer behauptet, christliche Werte hochzuhalten, gerade in Abgrenzung zu anderen Religionen, wird oftmals nicht von den besten Absichten geleitet.
Und wenn es darum geht, das Gute, das Richtige zu tun, ist die Konkurrenz zu denen ohne Glauben enorm: Da gab und gibt es auch tolle Menschen.
Also nicht das Handeln, sondern der Antrieb ist eine gute Unterscheidungsmöglichkeit: 14Alle, die sich von diesem Geist führen lassen, sind Kinder Gottes.
Alle Menschen sind „Kind von …“, auch, wenn die Eltern längst nicht mehr da sind. Kind-sein-von kann ich nicht verlieren, werde ich nicht los. Wenn ich verstanden habe, dass ich Gottes Kind bin und dass mir das niemand nehmen kann (wie allen anderen Menschen auch nicht), dann ist das ein ganz neuer Antrieb, durch das Leben zu gehen.
Christlich wird man durch den Glauben an Jesus Christus und an sein Erlösungswerk.
Durch einen Glauben, der gegen alle Angst bekennt:
Gott wirkt in meinem Leben, er wirkt in mir, durch mich, mit mir.
Er macht mich bereit dafür, dass ich immer etwas Neues dazu lerne, zum Leben. Und dass ich das Lernen nie aufgebe, sondern an Erkenntnis des Wahren immer wachse. Nicht durch Zwang, sondern durch Begeisterung, die mir Gott durch seinen Geist schenkt.
Denn Gott hat mir keinen Geist der Knechtschaft und der Verzagtheit gegeben, sondern einen Geist der Liebe, der Kraft und der Besonnenheit – dadurch zeigt sich, dass ich sein Kind bin.
Amen