zu Jesaja 11, 1-10 aus der Reformierten Stadtkirche
Liebe Gemeinde,
ich habe für unseren heutigen Festgottesdienst als Predigttext einen Auszug aus dem Jesajabuch mitgebracht (Jesaja 11,1-10) sowie ein Bild dazu.
Einige von Ihnen denken vielleicht – ein Bild? Wir sind doch reformiert, wir brauchen keine Bilder zu einem biblischen Text. Oder sogar eine Bildpredigt? Denn Bilder sind ja – wie Predigten, nur in der Sprache der Malerei. Und ein Maler, ein Künstler malt seine eigenen Einsichten in das Bild hinein … Künstler sind meistens keine Theologen, also sie sind nicht unbedingt dazu berechtigt zu predigen…
Aber der Maler dieses Bildes (auf der Rückseite des Sonntagsblattes) hatte einen ganz besonderen theologischen Hintergrund. Edward Hicks, er lebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (ungefähr zeitgleich mit der Gründung unserer Kirche vor 200/240 Jahren) und war Prediger einer Quäkergemeinde in den USA, in Philadelphia.
Als ich sein Bild gesehen habe, musste ich auch schmunzeln. Diese Tiere sind sehr eigenartig und haben Augen und Gesichtsausdrücke fast wie Menschen…
Im November begegnete mir das Bild – als Idee eines katholischen Religionslehrer-Kollegen zum Thema Frieden für den Weihnachtsgottesdienst in der Schule. Das Bild ist in einem katholischen Religionsbuch zu finden. Das kann doch nicht sein Ernst sein? – dachte ich mir. Die SuS werden uns mit unseren Geschichten auslachen, wenn wir dieses Bild als Hintergrund für den Gottesdienst verwenden. Doch das Bild, gemeinsam mit dem Bibeltext, auf dem es basiert, hat mich nicht losgelassen und mich dazu veranlasst, dieses Bild auch heute in die Predigt aufzunehmen.
Wir hören einen uralten Text über das Kommen des Messias und darüber, was seine Gegenwart in unserer Welt bewirken wird.
Jesaja 11…
Der kommende Friedensherrscher
1Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Spross hervor.
Ein Trieb aus seiner Wurzel bringt neue Frucht.
2Auf ihm ruht der Geist des Herrn:
Der schenkt ihm Weisheit und Einsicht,
Rat und Stärke, Erkenntnis und Ehrfurcht vor dem Herrn.
3Ja, er hat Freude daran, den Herrn zu fürchten.
Er urteilt nicht nach dem Augenschein
und entscheidet nicht nach dem Hörensagen.
4Er ist gerecht und sorgt dafür,
dass die Schwachen zu ihrem Recht kommen.
Er ist aufrichtig und trifft Entscheidungen
zugunsten der Armen im Land.
Sein Wort trifft den Gewalttäter wie ein Stock.
Er tötet den Frevler mit einem Hauch,
der über seine Lippen kommt.
5Gerechtigkeit begleitet ihn wie der Gürtel um seine Hüften,
Treue wie ein Band um seinen Leib.
6Dann ist der Wolf beim Lamm zu Gast,
und der Leopard liegt neben dem Böckchen.
Ein Kalb und ein junger Löwe grasen miteinander,
ein kleiner Junge hütet sie.
7Kuh und Bär weiden zusammen,
ihre Jungen liegen nebeneinander.
Der Löwe frisst Stroh wie das Rind.
8Ein Säugling spielt am Loch der Natter.
Ein kleines Kind streckt seine Hand aus
über der Höhle der Giftschlange.
9Man tut nichts Böses und begeht kein Verbrechen
auf meinem ganzen heiligen Berg.
Denn das Land ist erfüllt von Erkenntnis des Herrn,
so wie das Meer voll Wasser ist.
10Zu der Zeit steht der Spross aus der Wurzel Isais
als Feldzeichen für die Völker da.
Nach ihm richten sie sich.
Der Ort, an dem er wohnt, strahlt Herrlichkeit aus.
Hicks war sehr fasziniert von Jesaja und ganz besonders von seiner Prophezeiung über den Frieden. Diese Faszination zeigt sich auch daran, dass 62 Versionen von dieser Friedenszene existieren. (62!)
Dazu müssen wir anmerken, dass die Quäker sehr friedenszentriert sind und ihre politischen Ansichten auch vom Pazifismus geprägt sind.
Aber ich frage mich dennoch, ob das hier – sowohl auf dem Bild, als auch bei Jesaja, nicht etwas übertrieben wäre?
Tierfrieden habe ich nämlich anders erlebt: Meine Katze war sehr friedlich und zufrieden, nachdem sie mein Aquarium Tag für Tag leer gefischt hatte…. Nicht zu sprechen von meinem entlaufenen Hamster – der vermutlich auch am gleichen Ort landete, wie meine Fische… im Magen meiner Katze…
Tierfrieden ja – unter Aufsicht; solange Ordnung und Zufriedenheit herrschen, und solange alle alles haben.
Aber den Frieden schaffen doch die Tiere von sich aus sicherlich nicht.
Und wir Menschen – sind wir besser im Friedenstiften?
Wie gelingt denn
„Frieden auf Erden,
Frieden in mir,
Frieden den Menschen vor meiner Tür.
Frieden auf Erden, mehr als ein Traum?
Frieden, wo findet er Raum?“
Für Jesaja war diese Prophezeiung nicht nur eine Vision, sondern eine Tatsache. Eine Tatsache, die kommen wird. Und diese Tatsache ist ja auch gekommen: zu Weihnachten.
Denn 1Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Spross hervor. – Es war Jesus, den Jesaja hier angekündigt hatte. Jesus hat über den Frieden nicht nur gesprochen, Jesus hat den Frieden den Menschen vorgelebt.
– Gegen den Hass setze er die Liebe.
– Gegen die Beleidigungen setzte er die Annahme.
– Jesus kämpfte gegen den Zweifel mit dem Vertrauen
– gegen die Verzweiflung mit der Hoffnung,
– gegen den Kummer mit der Kraft der Gottesgegenwart.
Jesus lebte es vor, wie aus Vertrauen auf Gott, auf die Mitmenschen und auf den Sinn des eigenen Lebens Frieden entstehen kann.
Unfriede kommt oft daher, dass Menschen sich durchsetzen wollen. Ihren eigenen Willen gelten lassen wollen. Das ist manchmal nötig. Aber wenn dieses Durchsetzen dann noch auf Kosten anderer Menschen geht, ist es schon weniger schön. Und wir sollten uns fragen: Ist es das wert? Ist unser Wollen es wert, Unfrieden zu stiften?
Friede ist manchmal eine mühsame Arbeit: es ist nie einfach, einen Ausgleich zu finden zwischen Interessen und Wollen.
Auf der linken Seite des Bildes hat Hicks, der Maler, eine ganz besondere Geschichte zum Thema Frieden dargestellt.
Eine Szene aus dem 17. Jahrhundert. William Penn, Gouverneur, schloss Frieden mit dem Stammesführer der Ureinwohner. So wurde Pennsylvania gegründet (Es geschah im Jahr 1683). Auf dem Bild sehen wir den Moment, als William Penn und das Stammesoberhaupt einen wichtigen Vertrag unterzeichneten. Penn war ein gläubiger Mensch (ebenso Quäker wie der Maler Hicks). Penn setzte sich sehr intensiv für Religionsfreiheit und zugleich für das Abschaffen der Sklaverei ein. Für den Maler Edward Hicks war somit Penn ein großes Vorbild. Der Vertrag zwischen den Ureinwohnern und den Siedlern war für Hicks wie ein Zeichen dafür, dass Frieden auf Erden doch möglich ist. Ob er als Quäker davon wusste, dass der Vertrag leider von beiden Seiten immer wieder gebrochen wurde – wissen wir nicht. Für ihn war der Moment des Friedensvertrages von Bedeutung. Der Wille und die Absicht, die in diesem Moment (noch) vorhanden waren von beiden Seiten. Penn nannte seine Bemühungen um ein Land, in dem Friede, Religions-und Gewissensfreiheit herrscht: „Das heilige Experiment.“ Doch die Geschichte von Pennsylvania zeigt dennoch, wie zerbrechlich dieser Friede ist. https://reformiert.info/recherche/us-kirchen-bekennen-ihre-schuld-gegenueber-indianern-17053.html
Ohne Gottvertrauen von Penn und ohne gegenseitiges Vertrauen wäre dieser Friedensvertrag nicht zustande gekommen.
Ohne Gottvertrauen, und ohne gegenseitiges Vertrauen, kann kein Friede entstehen und kann kein Friede bewahrt werden.
In unserer Welt ist alles andere als Friede – und besonders das Heilige Land der Christen, Juden und Muslime ist von Gewalt geplagt.
Vor einem Jahr wurden die Weihnachtsgottesdienste in Betlehem ausgesetzt, ebenso können an vielen Orten in der Ukraine keine Feste gefeiert werden.
Feste feiern kann man in Zeiten des Krieges und in Zeiten der Trauer nicht.
Aber Weihnachten ist doch mehr als ein fröhliches, lautes Fest…
Weihnachten findet statt – denn das Vertrauen auf Gott und die Hoffnung auf den Frieden können und dürfen nie verstummen und nie aufgegeben werden.
Weihnachten ist ein Fest der GEGENWART Gottes in unserer Welt. Wie lautet denn der Namen Jesu im Alten Testament: Immanuel/ Gott ist mit uns. Diese Zusage bleibt auch im menschlichen Chaos aufrecht und gibt uns Menschen einen Grund zur stillen Freude, auch wenn es um uns herum alles andere als still ist.
Im Bild ist Friede sowohl unter den Tieren als auch unter den Menschen.
Der Maler (Edward Hicks) hat das Kind (das Christuskind) viel höher platziert als die anderen Gestalten des Bildes. Das Kind schwebt beinahe über den Löwen – seine Arme sind ausgestreckt als würde es alle umarmen. Es ist eine ganz geniale Komposition, was der Maler hier ausdrückt: Das Kind hält alle zusammen, von ihm geht der Friede aus. Es ist das Christuskind, der Friedensfürst, Gott in Jesus.
Friede hat seine Wurzeln im VERTRAUEN: im Vertrauen auf Gott und im Vertrauen auf den Nächsten. Das Kind in der Krippe erinnert mich zu Weihnachten Jahr für Jahr daran, dass Gott sogar aus der schwierigsten Situation doch etwas Kraftvolles, etwas Gutes – den Frieden – entstehen lassen kann. Doch dazu braucht er auch mich und mein Vertrauen und meine Bereitschaft zum gegenseitigen Vertrauen mit anderen Menschen. Denn alleine, als Einzelkämpfer können wir keinen Frieden gestalten.
DENN DER GROSSE FRIEDE BEGINNT NICHT BEI DEN GROSSEN FRIEDENSVERTRÄGEN, SONDERN DORT, WO ZWEI ODER DREI MITEINANDER FRIEDEN SCHLIESSEN KÖNNEN.
Das feiern wir eigentlich zu Weihnachten.
Dass Gott uns zur Seite steht, dass Gott uns und unseren Gemeinschaften seinen Frieden schenkt, wenn wir uns wieder auf ihn verlassen können und nicht gegeneinander, sondern miteinander nach Lösungen und WEGEN suchen.
Vertraut auf Gott und achtet auf den Frieden unter Euch! Amen