“Im Anfang war das Wort… ” Johannes 1,1-14 Pfarrer Harald Kluge
Frage 54 Was glaubst du von der »heiligen allgemeinen christlichen Kirche«?
Ich glaube, dass der Sohn Gottes aus dem ganzen Menschengeschlecht sich eine auserwählte Gemeinde zum ewigen Leben durch seinen Geist und Wort in Einigkeit des wahren Glaubens von Anbeginn der Welt bis ans Ende versammelt, schützt und erhält und dass auch ich
ein lebendiges Glied dieser Gemeinde bin und ewig bleiben werde.
Im Anfang war das Wort, der Logos,
und der Logos war bei Gott.
Von Gottes Wesen war der Logos.
Dieser war im Anfang bei Gott.
Und alles ist durch ihn geworden.
Ohne ihn ist auch nicht eines geworden,
das geworden ist.
In ihm war Leben,
und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat es nicht erfasst.
Es trat ein Mensch auf, von Gott gesandt, sein Name war Johannes. Dieser kam zum Zeugnis, um Zeugnis abzulegen von dem Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kämen.
Nicht er war das Licht, sondern Zeugnis sollte er ablegen von dem Licht.
Er war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der zur Welt kommt.
Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, und die Welt hat ihn nicht erkannt.
Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Die ihn aber aufnahmen, denen gab er Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus Blut, nicht aus dem Wollen des Fleisches und nicht aus dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott gezeugt sind.
Und das Wort, der Logos, wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir schauten seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, wie sie ein Einziggeborener vom Vater hat, voller Gnade und Wahrheit.
Johannes 1,1-14
Liebe Schwestern und liebe Brüder im Glauben! Das ist die epische Geschichte von Jesu Geburt. Keine Engel, keine Eltern, keine Hirten, keine Wirten, und keine Sterndeuter oder Magier aus dem Osten. Bei Jesus spielt sich viel mehr im Hintergrund ab. Seine Hintergrundstrahlung, könnten wir sagen, seine Hintergrundstrahlkraft ist so gewaltig, dass es bis an den Anfang des Kosmos und der uns bekannten und der uns unbekannten Zeit zurückreicht. So beschreiben es die Schreiber des Evangeliums, das wir unter dem Namen „Johannes“ kennen. „Im Anfang war das Wort, der Logos…“
„Am Anfang war der Wasserstoff“
So lautet der Titel eines populärwissenschaftlichen Buches zur Entstehung von allem. Wenn wir dem Autor Hoimar von Ditfurth, dem von mir hochverehrten Biologen, folgen wollen, sei alles zu Beginn aus Wasserstoff entstanden. Und das sind wir gerade dabei, kaputtzumachen. Er meint auch, dass Intelligenz durchaus nicht auf ein Gehirn angewiesen sei. Er stellt die Raupe des Kaiseratlas-Schmetterlings vor, die ohne Gehirn die abenteuerlichsten Dinge tut, um sich zu schützen. Nein. Am Anfang war nicht der Kaiseratlas-Schmetterling und auch nicht das chemische Element Wasserstoff.
„Am Anfang von allem Leben steht die Frage: Gab es zu Beginn das Ei, oder doch die Henne?“ Das Ei natürlich, denn bevor das Huhn aufgetaucht ist, gab es eierlegende Dinosaurier auf diesem Planeten, wie man heute weiß.
Am Anfang war der Lärm, da war es laut, unvorstellbar laut – Big Bang Gab es am Anfang so vor 13,82 Milliarden Jahren einen Knall, einen gewaltigen Knall, den jedoch niemand hören konnte? Weil damals waren weder Menschen, noch Tiere, und kein Raum und keine Zeit vorhanden, und kein Sauerstoff, also gar kein Stoff, den es ja braucht um Schallwellen zu übertragen?
„Am Anfang war das Licht.“ Nur musste es zuvor nicht dazu finster gewesen sein?
„Am Anfang war das Feuer“ Am Anfang aller Entwicklung von Kultur müsse das Feuer stehen. Sonst hätten wir keine geheizte Kirche und kein warmes Essen dann später zu Mittag am Festtagstisch. Naja, darüber wird halt gestritten, was am Anfang war.
„Am Anfang schuf Gott …“ Himmel und Erde und die Erde war wüst und leer. Also nicht wir schaffen etwas zu Beginn.
GOTT setzt den Anfang, so wie auch das unvermeidliche Ende von allem und jedem, was kreucht und fleucht und keucht und flucht und sucht und umherirrt wie wir Menschen manchmal auf der Suche nach dem Sinn im Leben, dem Sinn hinter allem, dem Sinn im Geben und Schenken und Empfangen. Also stehen am Anfang vielleicht die Erfindungen und davor die Empfindungen, das Gefühl? Gott schuf uns als Mensch, als männlich und weiblich, wie wir das menschliche Gewurle aufgrund von Genen meist noch immer einteilen. Auch in den Genen versteckt sich „Am Anfang“, Genesis, Ursprung, Anfang. Und nehmen wir den Anfang einer Beziehung. Wenn Zwei sich finden, funkt es oft, da sprühen die Funken und später können durchaus auch mal die Fetzen fliegen. Je länger eine Beziehung dauert, desto eher kann sie sich wie ein Schmetterling entpuppen, den man lieber nicht entpuppt hätte.
Manchmal, auch bei GOTT und uns Menschen, war es ja so und ist es immer wieder so, da tauchen Paarkrisen, Beziehungskiller auf. … also vielleicht hat die Autorin Amelie Fried nicht unrecht, wenn sie meint: „Am Anfang war der Seitensprung“. In ihrem Roman durchleuchtet sie Beziehungen und wie sie ins Leere laufen können, abkühlen. Die hintergangene Ehefrau setzt in dem Roman den treulosen Gatten vor die Tür und dreht noch einmal richtig auf. Damit beginnt ihre Suche nach einem, nach ihrem selbstbestimmten Leben. Sind nicht Eva und Adam auch vor die Tür gesetzt, aus dem vermeintlichen Paradies geschmissen worden? Haben sie als Paar und ihre Kinder und Kindeskinder nicht auch so richtig aufgedreht? Wir haben uns bei Kain und Abel als Geschwister furchtbar verkracht. Wir wollten Türme und Luftschlösser bis in den Himmel bauen und sind grandios gescheitert. Wir wollten als Menschen immer gescheiter sein als GOTT und mussten schmerzhaft einsehen, dass wir endlich ein Einsehen haben sollten. Also steht am Anfang der Entwicklung und des Reifeprozesses von uns Menschenkindern nicht vielleicht der Rausschmiss, das vor die Tür gesetzt werden, oder im besseren Fall, das aus der Tür gehen?
Am Anfang war der Rauswurf – die Trennung. Am Anfang von all dem hier, dieser Kirche, dieser Art Gottesdienste zu feiern, stand die Reformation. Auch unsere Konfession, die Reformierte, die, wie wir in Österreich noch genannt werden, Konfession Helvetischen Bekenntnisses, sie beginnt mit einer Trennung, einem Auseinanderleben. Mit den anderen, mit der römisch-katholischen Kirche, aber auch mit den Anhängerscharen des Martin Luther, hatten Menschen, die sich Johannes Calvin, Ulrich Zwingli, Heinrich Bullinger und vielen mehr nahe fühlten, nicht so recht anfreunden können, um es milde auszudrücken. Und sie machten wieder mal klar: Schauen wir doch bitte in die Schriften, in die Bibel: Was liest du?
„Am Anfang war das Wort – Gottes Wort!“ Machen wir doch keine Spompanadeln und fallen wir nicht weiter den (italienisch so schön bezeichneten) SPAMPANATA, den Aufschneidereien von Priestern und Bischöfen und Kardinälen und Päpsten und Theologen herein, hat man vor 500 Jahren lautstark gesagt. Gehen wir zurück ad fontes, zu den Quellen, zur Bibel. „Am Anfang schuf Gott…“
Also nicht wir Menschen haben zuerst etwas geschaffen, sondern wurden geschaffen. Und hier diese Gemeinde schufen nicht Menschen von sich aus. Auch für uns schuf GOTT alles, was wir hier heute vertrauensvoll und dankbar benutzen dürfen. Diese Räumlichkeiten, den einzigartigen Dachstuhl, die tiefen Kellergewölbe, das massive und gute Mauerwerk.
„Am Anfang war der Logos war bei Gott. Von Gottes Wesen war der Logos. Dieser war im Anfang bei Gott.
Und alles, auch dieses Gebäude vor 240 Jahren, wir mit unserer Haut und unseren Haaren … alles ist durch ihn geworden. Ohne ihn ist auch nicht eines geworden, das geworden ist.“
Am Anfang dieser Gemeinde standen einige wenige Familien, die sich zusammengefunden hatten. Und sie hatten die Vision einer Gemeinde hier in der Dorotheergasse 16, auf dem Gelände eines ehemaligen römisch-katholischen Klosters. DasKlarissen-Kloster St. Maria, Königin der Engel, war ein Kloster der Klarissen in Wien. Es wurde um 1580 von Elisabeth von Österreich gestiftet und im Zuge der josephinischen Reformen 1781 aufgelöst. Wir, die Reformierten, sind also bereits einige Jahre länger hier vor Ort als es die Klarissengemeinschaft gewesen war. Heute sind es eben genau 240 Jahre. Aber was mag das für die Zukunft bedeuten? Wird dieses Gelände möglicherweise einmal von einer anderen Religion übernommen? Wer weiß? Gott weiß. Am Anfang war Gottes Wort im Mittelpunkt dieser Gemeindegründung.
„Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“. Gott bläst uns bekanntlich am Beginn unseres Lebens den Atem, den Odem ein – und damit wir nichts erzählen, was davor gewesen sein mag, drückt Gott uns den Finger auf den Mund und sagt „Schhh!“ Am Anfang steht Gottes „Schhh!“
Am Anfang steht GOTTES Liebe zu uns Menschen
Daher stammt einer Legende nach das Grübchen über unserem Mund. Das Philtron heißt aus dem Griechischen übersetzt „Liebeszauber“. Und es ist doch eine schöne Vorstellung, dass GOTT uns mit der Rille von der Nase bis zur Oberlippe (dem Amorbogen) eine Art Verbundenheit in Liebe mit GOTT mitgibt. GOTT hat uns durch seine Liebe verzaubert.
Am Anfang steht die Liebe – die Verbundenheit
Gerade heute, nur wenige Tage vor Neujahr, geht es wieder – auch für unsere Gemeinde hier und alle Reformierten in Österreich – um die Verbindung und Verbundenheit mit unseren lutherischen Geschwistern im Glauben. Nur noch bis zum 31. Dezember bin ich Pfarrer der Evangelischen Kirche Helvetischen Bekenntnisses in Österreich. Und auch alle Pfarrerinnen und Pfarrer der Kirche A.B. sind das nur noch bis zum neuen Jahr, bis zum 1. Jänner 2025. Dann werden wir gemeinsam neu angestellt sein bei der Evangelischen Kirche Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses in Österreich. Wir wissen alle nicht, was die Zukunft noch so für unsere Gemeinde alles bringt. Mein verehrter Vorgänger Peter Karner hat einmal gemeint, vielleicht wird die Dorotheergasse 16 und 18 ja einmal eine Art „Evangelisches Zentrum A.u.H.B.“, mit einem evangelischen Museum, einer gemeinsamen Eintrittsstelle für ausgetretene Christinnen und Christen. Peter hatte auch die Idee einer Aufnahmestelle für Menschen, die noch nach ihrer religiösen und spirituellen Heimat suchen und sie bei AB oder HB finden könnten.
Viele haben hier in der Dorotheergasse eine religiöse und konfessionelle Heimat gefunden. Und im letzten Jahr, 2023, haben über 10.000 Menschen hier in der Reformierten Stadtkirche gemeinsam auf Deutsch, in Englisch und in Ungarisch ihre Gottesdienste gefeiert. Als ich vor mehr als 20 Jahren hier angekommen bin, waren es nach den Aufzeichnungen ebenso viele. Woran will man es aber messen, diese Begeisterung für das Wort Gottes, das am Anfang von allem steht? An den Mitgliederzahlen? An den Gottesdienstbesucherzahlen?
Zurück zum Predigttext, zum Anfang: „In ihm, im Logos, war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ Auch diese Gemeinde ist lebendig, da wurlt es und sprudelt es nur so vor Engagement und Ideen. Dafür sind die vielen Veranstaltungen der letzten Zeit, vom Kinderorchesterauftritt bis zu Diskussionsveranstaltungen und dem Henriettenmarkt und dem Malkreis klare Belege. Klar, wir machen die Erfahrung seit 240 Jahren schon, dass nicht alles gut bei allen ankommt. Wir sind eben keine Konfession für alle, die für alle da sein will. Wir leben aus tiefer Überzeugung die Verschiedenheit in Glaubensdingen. Und wir respektieren, vielleicht sogar mehr als viele anderen Gemeinschaften, ja sehen es als gut und wichtig an, dass es andere Konfessionen und andere Religionen und Weltanschauungen gibt. So vielfältig wie das Leben und wie wir Menschen ist auch das Glaubensleben, das religiöse Leben.
Dazu braucht es Menschen, die sich das trauen und zutrauen, Worte, vor 1000en von Jahren niedergeschrieben, auch heute aktuell mit den Geschehnissen in der Welt und in der Umwelt, aber auch Empfindungen in mir in Beziehung zu bringen. Es traten bis heute immer wieder Menschen auf, von Gott gesandt, ihre Namen sind Johannes, Simon, aber auch Carl, Johann, Justus, Gottfried und viele viele mehr. Diese sind gekommen, um Zeugnis abzulegen von dem Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kämen. Nicht sie waren das Licht, sondern Zeugnis sollten sie ablegen von dem Licht. Denn nur Er war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der zur Welt kommt. …
Und das Wort, der Logos, wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir schauten seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, wie sie ein Einziggeborener vom Vater hat, voller Gnade und Wahrheit.
Im Anfang war die Rebe, so könnten alle Winzerinnen und Winzer rufen. Denn 2024 ist auch ein Jahr, in dem 240 Jahre bereits der Heurige in Wien existiert. Was setzen Sie, liebe Gemeinde, an den Anfang des kommenden Jahres? Was soll Ihr und was soll unser Vorzeichen sein?
Als kleiner Anstoß folgt der Text „Am Anfang war das Feuer“
Seit urdenklichen Zeiten gibt es diese Erde
Einst ein Feuerball, der sich schließlich in ein wunderbares Paradies verwandelte.
Millionen von Jahren vergingen.
Doch dann kam der Mensch und es blieb nichts mehr, wie es einmal war….
Aus Gestern wurde Heute
Aus Trauben wurde Wein
Aus Menschen wurden Leute
Und was wird morgen sein?
Aus Güte wurde Härte
Aus Hoffnung wurde Angst
Aus Leidenschaft Routine
Wenn du nicht mehr träumen kannst
…
Die Felder trugen Früchte
Aus Weizen wurde Brot
Die Reichen wurden reicher
Die Armen leiden Not
Aus Bäumen wurden Wälder
Die Wälder sind gefällt
Verschenktes Paradies
Was bleibt von dieser Welt?
(Zillertaler Schürzenjäger)
Am Anfang war das Wort.
Und am Ende bleibt das Wort. AMEN